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Trumps Truppenabzug und seine Folgen

Der Abzug US-amerikanischer Truppen lässt Deutschland und die Nato um die militärische Abschreckung fürchten. Doch vor allem schadet er den Vereinigten Staaten selbst.

Die Ankündigung kam überraschend und ganz im Stile dessen, wie die US-Regierung unter Präsident Donald Trump außenpolitisch mit befreundeten Staaten verfährt: brachial, impulsiv, konfrontativ. Künftig, so heißt es aus dem Weißen Haus, sollen nur noch maximal 25.000 statt bisher 34.500 US-Soldaten in Deutschland stationiert sein. Details zu den Plänen kennen bislang weder die Bundesregierung noch offenbar die zuständigen US-Ministerien. Militärstrategische Überlegungen scheinen bei dem Schritt auch höchstens eine untergeordnete Rolle zu spielen.


Trump erhöht den Druck: "Bis sie zahlen"


Denn in Washington gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass es sich bei Trumps Entscheidung um eine verteidigungspolitische Neuausrichtung handelt. Der Truppenabzug, sollte er denn tatsächlich umgesetzt werden, schwächt laut Experten vor allem die internationale Rolle der Vereinigten Staaten – und weniger Deutschland, das Trump mit dem Schritt laut eigenem Bekunden unter Druck setzen will.


Trumps Unzufriedenheit mit Berlin und den deutschen – aus seiner Sicht zu geringen – Verteidigungsausgaben ist altbekannt, auch bei den Handelsbeziehungen und wegen der "Nord Stream 2"-Pipeline wähnt der US-Präsident sein Land benachteiligt. Für Trump gehört das alles zusammen: Er sieht sich von den Deutschen über den Tisch gezogen. Deshalb sagt er: "Bis sie zahlen, werden wir (…) einen Teil der Soldaten abziehen."


Ex-Befehlshaber: "Ein kolossaler Fehler"


Für dieses Ziel scheint Trump wenig Wert auf fachliche Meinungen zu legen. Der frühere Befehlshaber der US-Truppen in Europa, Ben Hodges, nennt die Pläne einen "kolossalen Fehler". Zahlreiche republikanische Verteidigungspolitiker sprachen sich prompt in einer formellen Protestnote gegen die Maßnahme aus. Mit einer deutlichen Warnung: "Geschwächtes US-Engagement in der Nato werde weitere russische Aggression" nach sich ziehen.

Der Widerstand auch in der eigenen Partei kommt nicht überraschend: Denn während die US-Präsenz in Europa von hohem symbolischen Wert für das Verteidigungsbündnis Nato ist, "für Frieden und Stabilität in Europa", profitiert das US-Militär auch erheblich von der Infrastruktur ihrer Stützpunkte in Deutschland. Von der Luftwaffenbasis Ramstein starten US-Drohnen zu ihren Einsätzen im Nahen Osten und Afrika. In Landstuhl befindet sich das größte US-Militärkrankenhaus außerhalb der Vereinigten Staaten. Wer in Afghanistan oder im Irak verwundet wurde, wurde hier behandelt. Diese Strukturen zu verlagern, wäre mit immensen Kosten verbunden.


Russland und China können aufatmen


"Die US-Truppen sind in erster Linie aufgrund amerikanischer Interessen hier", sagt Ekkehard Brose, der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), t-online.de. Die Stützpunkte dienten dem US-Militär als Umschlagplatz für Operationen in der ganzen Welt. "Der Abzug könnte die US-Truppen erheblich in ihrer Einsatzfähigkeit einschränken. Das Militär und das Pentagon wurden offenbar nicht gefragt."

Dementsprechend stirnrunzelnd nahmen denn auch die Bündnispartner die Ankündigungen des Weißen Hauses zur Kenntnis – während Russland und China die Entwicklungen mit kaum überspielter Schadenfreude verfolgen. "Wir würden alle Handlungen der USA befürworten, die einen Rückzug ihrer militärischen Präsenz in Europa bedeuten", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums. Zhou Xiaoming, der für China lange über Handelsvereinbarungen mit den USA verhandelte, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg sogar: Der Demokrat Joe Biden sei für China der gefährlichere Präsidentschaftskandidat. Denn Trump zerstöre US-Allianzen. 


Ist die Ukraine noch von Belang?


Diese Einschätzung kommt nicht von ungefähr: Zwar entspricht die Reduktion der in Deutschland stationierten US-Truppen einer langfristigen Entwicklung seit Ende des Kalten Krieges. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit 2014 wurden die Maßnahmen allerdings zumindest vorerst ausgesetzt, um vor allem den osteuropäischen Bündnispartnern eine Sicherheitsgarantie zu signalisieren.

Erst am Freitag hatte die Nato mitgeteilt, die im Konflikt mit Russland stehende Ukraine in das sogenannte "Enhanced Opportunities Program" (EOP) aufzunehmen. Damit bekommt die Ukraine erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten an Nato-Manövern und Kooperationsprojekten sowie Zugriff auf ausgewählte geheime Bündnisinformationen. Überlegungen, die für den US-Truppenabzug nun offenbar weniger von Belang sind, auch wenn Polen im Ausgleich noch immer auf eine permanente Truppenstationierung hofft. 


Zweifel an Loyalität der USA

Denn während frühere Äußerungen Trumps lediglich relativ vage andeuteten, der Bündnispartner könne es mit seinen Verpflichtungen im Ernstfall nicht mehr allzu genau nehmen – beispielsweise als er die Nato "obsolet" nannte und später sogar zur Diskussion stellte, ob die USA im Falle eines Angriffs dem Nato-Partner Montenegro beistehen sollten –sind nun erstmals realpolitische Konsequenzen aus dieser Grundhaltung absehbar. 


Und damit geht möglicherweise ein tiefgreifender innerer Bruch im Bündnis einher. Die Art der Kommunikation bedeute einen Einschnitt, sagt BAKS-Präsident Brose. Dass keine militärische Strategie dahinter zu erkennen sei, sei Teil des Problems. "Die Nato als Verteidigungsbündnis beruht auf Vertrauen, Transparenz, gemeinsamen Werten, Partnerschaft. Trump beschädigt dieses feinmechanische Räderwerk mit sehr grobem Werkzeug." 


Schatten über Nato-Treffen

Für den Zusammenhalt des Bündnisses ist die Ankündigung Trumps also eine schwere Bewährungsprobe. Sie überschattet damit auch das Treffen der Nato-Verteidigungsminister an diesem Mittwoch. Eigentlich sollten der Umgang mit der Stationierung von atomwaffenfähigen russischen Marschflugkörpern in Europa auf der Tagesordnung stehen. Das Bündnis will im Gegenzug bodengestützte Luftverteidigungssysteme ausbauen und Übungen und Aufklärungskapazitäten anpassen. Auch über mögliche Anpassungen der atomaren Abschreckung sollte gesprochen werden. 

Nun müssen sich die Verbündeten außerplanmäßig auch mit den US-amerikanischen Abzugsplänen befassen. Aus Bündniskreisen heißt es, die US-Pläne schürten die Sorge vor noch folgenreicheren Alleingängen des mächtigsten Alliierten. Vor allem, da die Entscheidung ohne vorherige Konsultationen getroffen wurde. Trump erwäge offensichtlich, so wird befürchtet, noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November einen vollständigen Rückzug aus Afghanistan. 

Eine solche Entscheidung würde gegen zentrale Zusagen an die europäischen Alliierten verstoßen und hätte unkontrollierbare Konsequenzen. Fast beschwichtigend klang deswegen die Stellungnahme des norwegischen Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg: Die USA hätten noch nicht entschieden, "wie und wann" sie die Soldaten aus Deutschland abziehen wollten. Es gebe "anhaltenden Dialog" mit Washington zu der Frage.

"Außenpolitik ist innenpolitisch motiviert"

Die Ankündigung des US-Präsidenten kam also zur Unzeit. Sie fügen sich allerdings ins Bild: Trump sieht permanente Truppenstationierung im Ausland als Kostenfaktor. In Südkorea baute er zuvor ähnliche Drohkulissen auf mit dem Ziel, dass die Verbündeten mehr Geld für die Stationierung von US-Truppen bezahlen. "Stationierungen werden als zu teuer erachtet, ohne ihren Nutzen zu erkennen", sagt dazu Ekkehard Brose. "Trumps Außenpolitik ist offenbar ausschließlich innenpolitisch motiviert."


Tatsächlich spielten der US-Präsident und sein enger Vertrauter und gerade erst nach Washington zurückgekehrter Deutschland-Botschafter Richard Grenell bereits seit über einem Jahr mit der Androhung. Nun waren es offenbar die beiden, die den Schritt beschlossen. Es ist möglich, dass der Kongress die Umsetzung deswegen noch verhindert. Er hat bei der Aufstellung des Verteidigungshaushalts, die im Herbst ansteht, die nötigen Kompetenzen.

Doch für Berlin wäre das nur eine kurzfristige Entwarnung: In Washington ist der Frust über den deutschen Verbündeten groß. Nicht nur Trump, sondern Politiker von Republikanern wie Demokraten gleichermaßen werfen Deutschland vor, es sich in der Nato als Trittbrettfahrer bequem gemacht zu haben.

Deswegen spricht vieles dafür, dass der Truppenabzug als Bestrafung gedacht ist und im Wahlkampf eine Rolle spielen könnte. Denn bislang hatte der US-Präsident seinem Versprechen, die US-Truppenstationierungen im Ausland drastisch zurückzufahren, nur wenig Taten folgen lassen. Um bei dem Thema im Wahljahr mehr vorweisen zu können, könnten die Kollateralschäden eines Rückzugs in den Hintergrund rücken.

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